4. Dezember 2024

Geht so Naturschutz?

Geht so Naturschutz?

Ein Leserbrief von Prof. Dr. Werner Stanek

Im Juli hatte unser 1. Chemnitzer Vogelverein unter Leitung von Zfrd. Eckhardt Frömel wieder seine Versammlung. Wir sind einer der größten Vogelvereine in Sachsen. Wir haben Mitglieder aus den Kreisen Mittweida, Zwickau, Neukirchen, Flöha, Chemnitz und weiteren.

Eine engagierte und erfahrene Züchterin fand auf ihrem Grundstück drei kleine noch unbefiederte Jungvögel. Einer davon war bereits verstorben und ein Zweiter verstarb noch bis zum Abend. Der Größere wurde stündlich mit Weichfutter versorgt, um ihn zu retten. Diesen Vogel brachte die Züchterin in die Versammlung im Botanischen Garten von Chemnitz mit. Als Tipp für die Art des Vogels wurde abgegeben: Hänfling, Stieglitz und Dompfaff. Nach drei Wochen war es sicher: es ist ein Bluthänfling.

Es musste aus Arbeitsgründen ein neuer Pfleger gefunden werden. Aufgrund der sehr zeitaufwendigen Pflege erklärte ich mich bereit, den kleinen nackten Vogel am Tag 16-mal zu füttern. Als Rentner hat man dafür Zeit. Nach 15 Tagen war der Vogel befiedert und es erfolgte die Umstellung von Weichfutter auf Körnerfutter. Die Unterbringung des Hänflings aus dem kleinen bisherigen Ausstellungskäfig wechselte in eine Voliere, die besetzt war mit weiteren Cardueliden. 

Gleich am ersten Tag wurde von mir die Untere Naturschutzbehörde des Erzgebirgskreises informiert. Das war gar nicht so einfach, weil niemand telefonisch erreichbar war. Nach dem 14. Anruf hat es geklappt. Mir wurde noch mitgeteilt, die Beringung nicht mit Artenschutz-Ringen vorzunehmen, sondern z. B. mit geschlossenen normalen DKB-Ringen. Dazu ist es notwendig einen Herkunftsnachweis zu erstellen, in dem u. a. die eineindeutige Ringnummer des Vogels steht; das ist quasi der Personalausweis. Das ist auch der so wichtige Nachweis dafür, dass der Vogel nicht in der Natur gefangen wurde, da sich der Ring nur im Alter von 5 – 7 Tagen auf den Fuß ziehen lässt. 

Ich stimmte den Herkunftsnachweis mit der Naturschutzbehörde ab und übergab Vogel und Papiere dem neuen Halter. Es ist ein ausgesprochener Fachmann mit mehreren Volieren, die mit Singvögeln besetzt sind.

Das Drama nimmt nun seinen Lauf.

Nach etwa einem Monat ist plötzlich die Naturschutzbehörde nicht mehr einverstanden mit der Lösung. Die Untere Naturschutzbehörde Erzgebirgskreis verlangte vom Halter, einen unter Menschenobhut vom ersten Lebenstag an aufgezogenen Singvogel (Bluthänfling) im Alter von einem Monat wieder in die Natur zu entlassen.

Die Mitarbeiterin der Behörde hat sich nicht mit mir – dem Ersteller des Herkunftsnachweises – in Verbindung gesetzt, sondern mit dem Halter, der einen ordnungsgemäßen und mit dem Landratsamt abgestimmten Herkunftsnachweis erhielt und diesem vertraute.

Weil ein beringter Vogel nicht wieder in die Natur entlassen werden darf, forderte die Behörde den Halter auf, den geschlossenen Fußring wieder zu entfernen. Ein kleiner Hänfling ohne Personalausweis kann unkompliziert in die wilde Natur „abgeschoben“ werden. Eine Entfernung des Fußringes am lebenden Vogel ist aber eine vom Gesetz untersagte Handlung. Das ist ohne Beschädigung des Fußes nicht möglich. Die Nummer des Fußringes ist im Herkunftsnachweis, der mit dem Landratsamt abgestimmt wurde, angegeben.

Weil der Halter sich weigerte, die Entfernung durchzuführen, beauftragte die Mitarbeiterin der Naturschutz-Behörde die „Vogelrettung“, den Hänfling in ihrem Auftrag zu beschlagnahmen und abzuholen. Der Halter und auch die „Vogelrettung“ lehnten die Forderungen ab. Der aufgezogene Vogel hatte noch nie andere Vögel zu Gesicht bekommen; der Vogel ist auf Menschen geprägt; der Vogel hat demzufolge keinerlei Fluchtdistanz; der Vogel ist nicht in der Lage selbständig Futterpflanzen für seine Ernährung zu suchen. Eine Freilassung bedeutet seinen Tod. Auch eine gesetzliche Festlegung verbietet, einen in Menschenobhut aufgezogenen Singvogel, der geschlossen beringt ist, wieder frei zu lassen.

Was veranlasst Mitarbeiterinnen einer sogenannten Naturschutz-Behörde ein solches Fehlverhalten vom Vogelhalter mit viel Druck zu fordern? Ich glaube, es ist heute notwendiger denn je, dass die Mitarbeiter der Naturschutz-Behörde dringendst qualifiziert werden müssen, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Sie sollten einen Lehrgang zum Erwerb von Sachkenntnis über die Haltung und Zucht erfolgreich absolvieren. Der DKB bietet solche an. Auch ich habe solche bereits in Deutschland, aber auch als Sekretär des Europaverbandes der Kleintierzucht – Sparte Vögel in Europa gehalten.

Für mit viel Aufwand aufgezogene und vor dem sicheren Tod gerettete Findlinge gibt es nur ein glückliches Leben in einer mit artgleichen Vögeln besetzten Voliere, in der sie ausreichend versorgt werden und vor Feinden geschützt sind. Es ist nicht zu verstehen, dass das von sogenannten grünen Naturschützern nicht unterstützt wird.

Die Alternative für eine zeitaufwendige Handaufzucht eines gefundenen noch unbefiederten Jungvogels unter Menschenobhut wäre, diesen zu töten, um ihn nicht leidend verhungern zu lassen. Diese kontraproduktive Lösung kann nicht im Sinne des Naturschutzes sein.

Die Mitarbeiterin der Unteren Naturschutzbehörde des Erzgebirgskreises sollte sich beim 1. Chemnitzer Vogelverein und beim Halter für ihr Fehlverhalten entschuldigen.

Das diese Angelegenheit doch noch ein gutes Ende nahm, stand sogar in der Zeitung

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